
Am 30. September 1938 wurde das Münchner Abkommen unterzeichnet, das die Eingliederung des sogenannten „Sudetenlandes“ an das Dritte Reich besiegelte, und am 8. Oktober 1938 rückte die 1. Panzerdivision der deutschen Wehrmacht unter dem Jubel der Deutschen Bevölkerung in Saaz ein.
Überall an den Straßen und Ecken in Saaz stehen jetzt die Menschen, die freudig winken. Dicht gedrängt stehen die Menschen auf dem Marktplatz. Der Jubel ist so groß, dass die Musik vor lauter Heilrufen der Bevölkerung kaum zu hören ist.
Es gab aber auch Deutsche, die sich jetzt Sorgen um die Zukunft zu machen begannen. In einem Gespräch mit dem kommandierenden Generaloberst der 1. Panzerarmee Rudolf Schmidt, das Frau Klepsch führte, die glücklich darüber war, dass andere Verhältnisse kamen, wurde ihr von ihm geradezu prophetisch widersprochen : „Gnädige Frau, glauben sie bitte nicht, dass sie jetzt im Paradies sind, sie sind lediglich vom Regen in die Traufe gelangt.“

Direkt hinter den Einheiten der Wehrmacht marschierten sogenannte Einsatzkommandos in das Sudetenland ab dem 1. Oktober 1938 ein. Die aus Männern des Sicherheitsdienstes der SS, dem so genannten SD gebildeten Einsatzkommandos trugen
zwei Listen mit sich: die so genannte M-Kartei, die schon Wochen und Monate zuvor in Berlin, auch mit Zuträgern aus dem Sudetenland- zusammengestellt worden war, und die sogenannte E-Kartei, vermutlich Einsatzkartei, die über 460 Namen umfasste. Diese beiden Karteien, die M- und die E- Kartei, beinhalteten politische Gegner des Nationalsozialismus (Kommunisten, Sozialdemokraten, tschechische Persönlichkeiten, aber auch eine ganze Reihe von Juden). Die Menschen, die auf diesen beiden Karteien verzeichnet waren zur Verhaftung vorgesehen.

1930 lebten 3.156 Tschechen und 924 Juden in Saaz. 1939 waren es nur noch 250 Tschechen und 91 Juden. Den Begriff der Vertreibung im Jahr 1938 bezüglich der mehr oder weniger unfreiwilligen Abwanderung von Tschechen würde ich nicht verwenden. Es ist ganz offensichtlich, dass hier viele verschiedene Entwicklungen gleichzeitig griffen. Zum einen flohen viele Tschechen aber auch viele deutsche Antifaschisten und Juden vor dem Terror sudetendeutscher Radikaler. Das ist ein entscheidender Grund dafür, dass so viele Tschechen aus dem Grenzgebiet in das Landesinnere strömten. Das war dann meist eine Flucht ohne Alternative. Ein weiterer wichtiger Grund war, dass viele Beamte und öffentliche Angestellte der Tschechoslowakei in das Landesinnere beordert wurden. Mit ihren Familien zogen diese ebenfalls in das Landesinnere. Dann gab es sicherlich in verschiedenen Fällen (man kann ihre Zahl nicht nachweisen und es ist auch von keinem zentralen Befehl auszugehen) Vertreibungen einzelner Tschechen oder auch ihrer Familien. Und all diese Vorgänge zusammen gehören zu dem, was heute oftmals simplifizierend als Vertreibung der Tschechen aus dem Grenzgebiet bezeichnet wird.

Schon bald verschärften sich die Repressalien gegen Juden. Symbol dafür war die reichsweite Pogromnacht am 9. November 1938.
Am 4. Dezember 1938 fanden nun auch im Sudetenland erstmals nach dem Anschluss an das Dritte Reich Wahlen statt. O-Ton Ufa Tonwoche: „99 von 100 unserer Volksgenossen im Sudetengau bekannten sich an der Wahlurne zu Führer und Reich.“
Am 15. März 1939 mit dem „Griff nach Prag“ oder „Erledigung der Rest-Tschechei“ besetzten nun die deutschen Truppen die ganze Tschechische Republik. Auf einen Erlass Hitlers hin wurden Böhmen und Mähren zum „Reichsprotektorat“ mit deutscher Gerichtsbarkeit. Nur wenige Monate später, am 1. September 1939, begann der 2. Weltkrieg.
